Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Bundesregierung hat neue Regelungen zur Arbeitszeit angekündigt. Wenn sie umgesetzt werden, wird das die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer viel kosten: Freizeit, Geld und Gesundheit.
Diesen Raubzug will die Regierung möglichst schnell durchziehen – ohne das übliche Begutachtungsverfahren im Parlament, in dem Kritik eingebracht und Änderungen erreicht werden können.
Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer heißt das:
Die Arbeitszeit wird nicht flexibler, nur länger
Im Vorschlag steht kein Wort zu Freizeit, Wahlmöglichkeit, langen Wochenenden:
· Bisher ist 12 Stunden arbeiten nur im Ausnahmefall möglich, dafür sind Betriebsvereinbarungen notwendig. Darin ist meist geregelt, dass man Überstunden ohne Begründung ablehnen kann, und in vielen Fällen bekommen die ArbeitnehmerInnen zusätzliche Freizeit.
· Künftig müssen sich die ArbeitnehmerInnen rechtfertigen, und die privaten Interessen werden mit den betrieblichen abgewogen.
· Bisher musste der Chef begründen, warum 12 Stunden notwendig sind, jetzt muss der/die ArbeitnehmerIn begründen, warum das nicht geht! Private Interessen (Familie, Freunde, Vereine, Erholung, …) werden da nicht reichen.
· Auch Arbeit am Wochenende kann leichter angeordnet werden.
Die Regierung greift ins Geldbörsel der ArbeitnehmerInnen und Arbeitnehmer
Viele ArbeitnehmerInnen werden deutlich weniger Überstundenzuschläge bekommen:
· Bei erhöhtem Arbeitsbedarf sind derzeit bis zu 60 Wochenstunden möglich – aber nur mit Betriebsvereinbarung. Betriebsräte setzen in diesen Vereinbarungen oft höhere Zuschläge oder längere Freizeitblöcke durch. Künftig gibt es auch für die 11. und 12. Stunde nur die gesetzlichen 50 Prozent Überstundenzuschlag. Die Mitwirkungsrechte der Betriebsräte werden gestrichen.
· In Zukunft kann bei Gleitzeit an fünf Tagen in der Woche bis zu 12 Stunden zuschlagsfrei gearbeitet werden. Derzeit sind bei Gleitzeit höchstens 10 Stunden täglich möglich. Jede längere Arbeitszeit geht nur mit Zuschlägen. Somit ist künftig eine zuschlagsfreie 60-Stunden-Woche möglich. Das betrifft 1 Million ArbeitnehmerInnen.
· Sehr unsicher sind die Auswirkungen der Neuregelung bei All-in-Verträgen und Überstundenpauschalen. Es ist zu befürchten, dass damit für dasselbe Geld länger gearbeitet werden muss.
Lang arbeiten macht krank und führt zu Unfällen
Viele Studien belegen die Auswirkungen von überlangem Arbeiten:
· Länger arbeiten macht müde, mehr Unfälle passieren.
· Ab der 10. Arbeitsstunde geschehen die meisten Arbeitsunfälle.
· Nach 12 Stunden Arbeit wird auch der Heimweg zur Gefahr.
· Je länger die Wochenarbeitszeit, desto mehr Herz-Kreislaufbeschwerden.
· Burn-out-Risiko steigt, wenn man regelmäßig länger als 40 Stunden arbeitet.
· Über 55 Wochenstunden: Schlaganfallrisiko steigt um 33 Prozent.
· Über 55 Wochenstunden: Herzinfarktrisiko steigt um 13 Prozent.
· Mehr Arbeit bedeutet weniger Freizeit für Erholung und gesundheitsfördernde Sport-Aktivitäten.
· Lange Arbeit muss durch lange Freizeitblöcke ausgeglichen werden. Dafür sorgt jetzt noch der Betriebsrat.
Dagegen mobilisieren die Gewerkschaften und der ÖGB in den kommenden Tagen und Wochen!
Es geht los mit BelegschaftsvertreterInnen-Konferenzen in allen Bundesländern.
Anschließend werden in möglichst vielen Betrieben in ganz Österreich Betriebsversammlungen abgehalten.
Am 30. Juni ist eine Demo in Wien geplant.
Sollte der Entwurf am 5. Juli trotzdem in dieser Form beschlossen werden, wird es weitere Aktionen geben.
Nähere Infos über alle Aktivitäten folgen demnächst.
Wir kämpfen für ein gutes Leben für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer!
Hunderte Kollektivverträge und Tausende Betriebsvereinbarungen machen Arbeit flexibel. Sie sorgen für gesunde Rahmenbedingungen. Das muss so bleiben.
Flexibilität im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer heißt:
· Planbare Arbeit
· Selbstbestimmung
· Kürzer Arbeiten!
Mit gewerkschaftlichen Grüßen
Wolfgang Katzian
ÖGB-Präsident
BEITRAG DER YOUNION_Die Daseinsgewerkschaft:
60-Stunden-Woche wird Normalfall
Ohne es groß anzukündigen, haben ÖVP und FPÖ am 14. Juni einen Initiativantrag zur Arbeitszeitflexibilisierung eingebracht. Bereits am 2. Juli soll der entsprechende Gesetzestext zur Änderung der Arbeitszeit im Parlament beschlossen werden.
Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB kritisiert: „Was die Bundesregierung unter dem Stichwort ‚Arbeitszeitflexibilisierung‘ vorgelegt hat, bringt für viele ArbeitnehmerInnen die 60-Stunden-Woche als Normalfall und Abhängigkeit von den Befehlen des Arbeitgebers. Nur die zynischsten unter den Wirtschaftsvertretern können da von einem ‚Freudentag für ArbeitnehmerInnen‘ sprechen.“
Sozialpartnerpapier zu Arbeitszeitflexibilisierung gab es nicht
Die Regierungsparteien berufen sich bei ihrem Vorschlag auf ein Sozialpartnerpapier von 2017. „Das ist eine grobe Unwahrheit“, sagt Achitz. Wahr ist, dass bis 2017 über eine ganze Reihe von Forderungen der Arbeitgeber geredet wurde. Über die Forderungen der ArbeitnehmerInnenseite wurde trotz zahlreicher Gespräche nicht verhandelt. „Genau deshalb hat es am Ende keine Sozialpartnervereinbarung gegeben. Von einer Einigung kann daher keine Rede sein“, stellt der Leitende Sekretär des ÖGB richtig.
Größter Angriff auf ArbeitnehmerInnen seit Jahrzehnten
Darauf, dass die Regierung sich dessen bewusst ist, dass sie mit ihrer „Flexibilisierung“ den größten Angriff auf Gesundheit und Geldbörsen der ArbeitnehmerInnen seit Jahrzehnten gestartet hat, lässt die Vorgangsweise schließen: „Statt eine Regierungsvorlage zu erstellen, die in einer Begutachtungsphase analysiert werden kann, was alle negativen Folgen aufdecken würde, wird der Gesetzesentwurf ohne Begutachtung durchs Parlament gepeitscht“, kritisiert Achitz.
Gewinnmaximierung statt Pleite-Verhinderung
Geht es nach der Regierung, wird der 12-Stunden-Tag von der Ausnahme zum Regelfall. Bisher sind 12-Stunden-Tag und 60-Stunden-Woche an das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen gebunden – zum Beispiel um einen wirtschaftlichen Nachteil zu verhindern. Im Wesentlichen ging es darum, den Betrieb vor Schaden zu bewahren. Der Arbeitgeber muss die Voraussetzungen nachweisen, daher ist 12/60 die Ausnahme geblieben. Künftig soll 12/60 aber an keine Voraussetzungen gebunden sein. Achitz: „Der Arbeitgeber kann es anordnen, wann immer er will. Er kann sogar damit kalkulieren, nur um die Gewinnspanne zu erhöhen.“
Der Arbeitgeber sitzt auf dem längeren Ast
Freiwilligkeit im Arbeitsrecht reine Fiktion. Wenn der Arbeitgeber einen Wunsch äußert, dem ArbeitnehmerInnen nicht nachkommen, sind in der Praxis vielfältige Nachteile zu erwarten – von Nichtberücksichtigung bei Beförderungen bis zu Kündigung, im schlimmsten Fall Entlassung, wenn man sich den Wünschen der Arbeitgeber wiederholt widersetzt.
Freizeit gibt’s nur, wenn Auftragsflaute herrscht
Auch die Darstellung, dass ArbeitnehmerInnen ihre erworbenen Freizeitansprüche konsumieren können, wann sie wollen, ist realitätsfremd. Freizeit kann nach Regierungsplänen nur konsumiert werden, wenn der Arbeitgeber zustimmt. „Das wird in vielen Fällen nur dann sein, wenn gerade nichts los ist – und nicht dann, wenn der/die ArbeitnehmerIn freie Tage braucht“, befürchtet Achitz.
Überstunden werden auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben, Zuschläge fallen weg
Die Behauptung, dass Überstundenzuschläge erhalten bleiben, ist eine Nebelgranate, weil gleichzeitig von der Ausweitung der Durchrechnungszeiträume gesprochen wird. Denn der Sinn eines Durchrechnungszeitraums liegt darin, dass Mehrstunden, die innerhalb des Durchrechnungszeitraums durch Zeitausgleich ausgeglichen werden, eben ohne Zuschlag ausgeglichen werden. Achitz erklärt: „Wenn man zusätzlich davon spricht, Mehrstunden von einem Durchrechnungszeitraum in den nächsten zu übertragen, werden diese Mehr- und Überstunden zuschlagsfrei 1:1 ausgeglichen – oder eben gar nie, weil sie auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben werden.“
Egal wie man’s regelt – überlanges Arbeiten macht krank
Abgesehen von den juristischen Details meint Achitz: „Egal, wie man überlange Arbeitszeiten konkret regelt, und egal, ob freiwillig oder unfreiwillig so lang gearbeitet wird: Überlanges Arbeiten ist schlecht für die Gesundheit, und freiwilliges langes Arbeiten ist um nichts gesünder. Arbeitszeitgesetze sind Schutzgesetze – auch vor Selbstausbeutung!“
Dass 12-Stunden-Arbeitstage ungesund sind, bestätigen auch mehre Studien. Unter anderen eine der MedUni Wien.
https://www.younion.at/cms/C01/C01_0.a/1342592196527/home/60-stunden-woche-wird-normalfall